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=== Vorüberlegungen aus dem Nachhinein ===
=== BITTE UMBLÄTTERN. ===
Wir lassen uns auf die Alltagserfahrung und auf bestimmte Formen ihrer Verarbei-tung
und Verarbeitung
und Darstellung ein‘ ei. Dadurch werden die Sinnzusammenhänge, die wir darstellen,
zwangsläufig den Bedingungen des Regionalen unterworfen.
Das heißt, wenn der Leser in einzelnen Fällen oder gar prinzipiell den Sinn nicht
erfassen nicht
erfassen kann, so wird die Ursa-che Ursache dafür nicht darin zu suchen sein, dass er in der
Schule nicht richtig aufgepasst oder dass er zu viel ferngesehen oder dass er zu wenig
Bücher gelesen hat oder dass er viel-leicht vielleicht die falschen Leute kennt. <br>Vielmehr liegt es
daran, dass wir alle und jeder für sich in bestimmten historischen und sozialen Zusammenhängen leben, aus denen wir nicht so ohne weiteres heraus können:
Wir leben in einer bestimmten Zeit, an einem be-stimmten bestimmten Ort, in einem bestimmten
Personenkreis, mit bestimmten Verhaltensweisen und bestimmten Lebensansichten.
<br> Wir tragen bestimmte Hüte, wohnen in viereckigen Steinhäusern, wir versammeln uns
in großen Sälen und bewegen unsere Körper nach rhythmischen Klängen. Wir lernen,
in eben solchen Zusammenhängen unsere Welt zu verstehen und uns in ihr zu verständigen. Ohne Schule. Täglich. Die Alltagserfahrung wächst uns während des
kontinuierlichen Lebensprozesses zu, eigentlich immer so ne-benbeinebenbei. Große Worte
werden nicht drum gemacht. <br>Der Versuch, die Alltagserfahrung aus ihrer regionalen Beschränktheit herauszulösen
und ihr den Glanz des Überregiona-len Überregionalen verleihen zu wollen, wäre ihr Ende. Die lebensgeschichtlich sich vermittelnde Le-bensweisheit Lebensweisheit verkümmerte zur bedingungslosen
Schulweisheit.
Deshalb ist es notwen-dig, dass wir auf eine wesentliche Voraussetzung hinweisen, die
für das sinnvolle Ver-stehen Verstehen der Zusammenhänge, die hier bezeichnet werden,
unentbehrlich ist: <br>
Diejenigen, die ihre Erfahrungen aufs Papier bringen, und diejenigen, die das Papier
dann in die Hand nehmen, müssen aus demselben Umkreis von Wirklichkeit
kommen . . . und wir werden abwarten müssen, wie der Kreis abzustecken ist ...<br>
Wenn wir mögliche Kreise abstecken um die, die unsere Arbeit verstehen, und wenn dabei heraus kommt, dass zu denen, die sie nicht verstehen, die Franzosen, die Hanno-veranerHannoveraner, Lehrerinnen über 40, Schachspieler, Wandervereine, Lehrlinge, Ärzte, Berufs-musiker Berufsmusiker und Rentnerehepaare gehören, und wenn sie sie verstehen wollen?<br>
Was ist dann zu tun?<br>
Nun, für diese wird man das Buch jeweils übersetzen müssen. <br>
Und zwar so, wie man hatte Warhol übersetzen müssen, als man seine weitgereisten BRILLO-Kartons in Deutschlands Galerien aufbaute. Denn statt dieser exotischen Seifen-kisten hatten Seifenkisten hÄtten dort die vertrauten, ja fast schon zur deutschen Einrichtung gehörenden PERSIL-Kartons stehen sollen . . .<br>
Schließlich bauen die Engländer bei ihren Autos ja auch das Steuerrad auf die linke Seite, wenn sie ihre Karossen auf dem Kontinent fahren lassen wollen. Eine entsprechend ori-entierte ,,Übersetzungsarbeit“ orientierte "Übersetzungsarbeit" würde zeigen, ob sich die jeweils konkrete Alltagserfah-rung Alltagserfahrung aus einem jeweils konkreten Umkreis von Wirklichkeit gegen die Manifestationen bevorzugter Alltagserfahrung aus einem bevorzugten Umkreis von Wirklichkeit durch-setzen bzw. sich an ihnen zu orientieren vermochte. Andererseits wird sie weiterhin ihr Aschenputtel-Dasein führen - angesichts von genialer Sonntagserfahrung, die in Werken der Bildenden Kunst etc. zu ehernen Werten erstarrt.
=== WISSEN IST MACHT? ===
Wir haben dieses Buch in einer Situation geschrieben, die im gegenwärtigen Leben bei-spielhaft beispielhaft ist: wir werden täglich und rund um die Uhr mit einer bedeutungsvollen Flut von Neuigkeiten, Wichtigkeiten, Belanglosigkeiten und Falschmeldungen über-schwemmtüberschwemmt, von nah und fern, aus allen Ecken der Welt und vom Nachbarn von nebenan.Diese Flut, die auf uns zurollt, kann von uns weder aufgehalten, gebremst noch gebro-chen werden. Sie rollt über uns hinweg. Wir rappeln uns auf und fragen uns kaum ein-mal: was war denn das da eben? . . . und schon geht es wieder von vorn los, da kommt die nächste Welle. <br>
Das Grundübel: <br>Erstens: Wir sind in bestimmter Hinsicht Analphabeten, d.h. wir ahnen, dass da etwas gemeint ist, können aber nicht herausbekommen, was es bedeuten soll.<br> Zum anderen gibt es Nachrichten, deren Alphabet wir von A bis Z, einschließlich der Grammatik, die die einzelnen Einheiten zu verbindlichen Informationen verknüpft, flie-ßend fließend beherrschen. Trotzdem gehen auch diese Informationen, die durchaus verständ-lich verständlich sind, spurlos an uns vorüber. Schlimmer noch:<br>
Mit dem Ausklang der Tagesschau-Melodie weiß schon kein Fernsehzuschauer mehr, was da während der letzten 15 Minuten in ihn via Auge, via Ohr hineingewandert ist. Er selbst wird die Vermutung haben, die Nachrichten - Bilder wie Worte - seien nicht in ihn hinein, sondern durch ihn hindurch marschiert. <br>
Beobachtungen geben Aufschluss darüber, dass man sehr wohl die mangelhafte Ausstat-tung Ausstattung mit Wissen, das sich handlungsmäßig erschlossen hat und so am lebensgeschichtli-chen lebensgeschichtlichen Prozess sich festmachen lässt, bemerkt hat. Und es werden Versuche gemacht, die-sem diesem Mangel zu begegnen, am besten gleich so, indem man Kapital daraus schlägt. <br> Man rufe sich z.B. nur einen Urlaubstrend ins Gedächtnis, der in den letzten Jahren geradezu erfunden werden musste und ein riesiger Erfolg für die Veranstalter wurde: An allen Straßenecken wird er angeboten, der Sporturlaub, der Abenteuerurlaub, der Urlaub, der Dinge verspricht, die es eigentlich schon gar nicht mehr gibt, die langst längst aus dem tägli-chen täglichen Leben ausgeschieden sind: Entdecken der Natur, Berühren einer Felsenkante, 30 kg Gepäck durch das Gebüsch schleppen, ein bisschen hungern, ein bisschen dursten, das Mittagsmahl selbst erlegen, Muskelkater und Schweißtropfen, ein bisschen echte Angst, das inszenierte Risiko. Alles unter der Devise "Mehr Erleben".<br>
=== Was ist zu tunWAS IST ZU TUN? ===
Ich betrachte das Unbekannte erst einmal von allen Seiten, so gut es geht. Es bieten sich schon einige Gesichtspunkte an, die mir einfallen und die ich ihm zuordnen kann. Und es werden schon mehr. Diese Gesichtspunkte ergeben sich dadurch, dass mich bestimmte Momente an diesem "Fremdländischen" an durchaus Bekanntes erinnern. Dabei kann es natürlich sein - und das ist naheliegend -, dass die einzelnen Aspekte, auf die ich bei der Beschäftigung mit dem Fremden stoße, aus den unterschiedlichsten Gegenden meines "heimatlichen" Erfahrungsbereichs stammen. Und mit einem Mal stehen diese unterschiedlichen Erfahrungsstücke, die in der Praxis, aus der sie kommen, nicht das Geringste miteinander zu tun hatten, miteinander in Beziehung und sollen helfen, eine Sache, die nicht aus sich heraus zu verstehen ist, nun sinnvoll zu erschließen. <br>
Und während wir alle aus unseren Erinnerungen hervorkramen, sie aufzeichnen, sie miteinander vergleichen und miteinander in Beziehung zu setzen suchen (am besten, das Vorhaben wird gleich ein bisschen organisiert), wird uns klar, dass wir auf diesem Wege nicht nur das Unbekannte da drüben verstehen können, wohlgemerkt: in unserem Sinne, sondern auch und vor allem uns selbst! <br>
=== Hier und nicht da drübenHIER UND NICHT DA DRÜBEN! ===
Denn wir beschäftigen uns mit Erfahrungen, die wir während unseres bisherigen Lebens als Mitglieder von bestimmten sozialen und historischen Zusammenhängen gemacht und gesammelt haben. In diese Erfahrungen sind die Bedingungen unseres gesellschaftlichen Lebens eingegangen. <br>