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Titel 1 Kunst in BILDERN.JPG
442 Kunst in bildern titel.jpg
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== Der Weg zum Buch. Die Geschichte ==
Die Kunst in Bildern zu denken
1972-1977
=== Der Start ===
Im Zelt auf dem Campingplatz in Kassel abends lebhaftes Hin und Her beim Versuch, in gemeinsamen Besprechungen auf der Ebene der bildhaften Alltagserfahrung einzelne Kunstwerke durch Analogien, Vergleiche, Gegensätze, Anmutungen, Perspektivwechsel, Übertragungen etc. dingfest zu machen.
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444 a Kassel Zeltkunst in Bildern.jpg|Wie soll man der Kunst beikommen? Abendliche Zusammenkunft im Zelt
Beispiel.jpg|Beschreibung2
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In Kassel noch versuchsweise, ungelenk und zaghaft, später in den folgenden Wochen, Monaten und Jahren wurde das entsprechende Verfahren als <big>assoziativer Ansatz</big> bezeichnet, der sich vor allem in Bildskizzen formulierte, die rasch im Ping-Pong aufs Papier geworfen wurden. Wir haben es an zahlreichen Kunstwerken der d5 erprobt. Bei vielen hat es gut funktioniert, bei anderen weniger.
In dem Anschreiben an Hartmut von Hentig 11.10.1974 versuchte ich mit wenigen Worten die Grundzüge unseres Verfahrens zu erläutern. Es ging dabei um die Aneignung von Wirklichkeit auf der Ebene der organisierten Erfahrung
Damit war die 10tägige Reise der ZELTSCHULE zur documenta 5 nach Kassel gemeint Produktion von Wirklichkeit auf der Ebene der organisierten Vergegenständlichung von Erfahrung.<br>
=== Assoziationen ===
Damit war die gezeichneten Assoziationen zu ausgewählten Kunstwerken der documenta 5 gemeint
Intersubjektiv überprüfbare mehrdimensionale Alltagserfahrung
Damit waren die gegenseitige Anregung zu szenischen Assoziationen, die federnde Gliederung der Bilderströme, der wechselseitige Tausch und die Verkettung von Bildideen gemeint.<br>
Das systematische und andauernde Pingpong von beschriebenen Bildern und skizzierten Situationen wurde begleitet von den Bemühungen, Haufen, Stapel oder Reihen zu bilden; Stammbäume und Verzweigungen zu definieren, Verstrickungen zu lösen. Es war notwendig, die einzelnen Bilder und Bildkommentare in Netzwerke zu binden, weitere Vernetzungen zu initiieren, sie mit anderen zu verbinden, Korrespondenzen und unerwartete Nachbarschaften aufzudecken, entfernte Erfahrungen aufzurufen, zu strukturieren und in unterschiedliche Ketten einzufügen.<br>
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15 Zeichnungen 1eee.jpg|bei der Arbeit
Beispiel.jpg|Beschreibung2
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=== Verknüpfungen ===
Durch das Verknüpfen der einzelnen Bilder, denen mit den Texten und den Generalthemen Entsprechungen an die Seite gestellt werden, wird unausgesprochen Sinn konstituiert. Die Mehrdeutigkeit, die in allen am Darstellungsprozess beteiligten Elementen angelegt ist, wird dadurch ausgerichtet, dass die zusammengehörigen Elemente in ein Überschneidungsfeld hineinmanövriert werden. Der Erkenntnisvorgang orientiert sich an eben dieser Schnittmenge. <br>
Sie markiert den jeweiligen Sinnzusammenhang, er muss von jedem Betrachter aufs Neue aktualisiert werden.“ <br>
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De Maria.jpg|Assoziation zu De Maria
Beispiel.jpg|Beschreibung2
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1973 lagen drei verschiedene Fassungen vor – da waren wir gerade etwas länger als ein Jahr an der Arbeit. Ein ganzer Stapel von Beiträgen wurde zunächst auf Halde gelegt.<br>
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444 zeltschule Nele c Buch 1 2.jpg|verknüpfen, sortieren, umsetzen...
Beispiel.jpg|Beschreibung2
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Bereits nach 16 Monaten dachten wir, dass wir in kürze unser Buch zur Kunstrezeption vorlegen konnten. Die vierte Fassung legten wir dann dem Verlag DuMont vor.<br>
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Kunst leben.jpg|Die erste Idee für einen Titel
446 Kunst in Bildern 3 Fassungen 2.jpg|drei Fassungen
447 Kunst in Bildern 3 Fassungen 1.jpg|drei Fassungen, Front
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Aber da hatten wir uns getäuscht.<br>
Die zunächst aussichtsvollen Gespräche für eine verliefen sich leider. Zu teuer! War das letzte Argument.<br>
Immerhin war unsere Arbeit ein Ausfluss der d5 – und die hatte es ja in sich.
Es gab nichts Vergleichbares.<br>
Auch Hartmut von Hentig, der dabei war, neue Formen der schulischen und universitären Ausbildung zu erproben, konnte nicht weiter helfen.<br>
=== Das Ende ===
Das Studium an der HFBK ging 1975 dem Ende zu und damit auch die aktive Zusammenarbeit der ZELTSCHULE. Der durch die Ausbildungssituation gestiftete soziale wie auch der räumliche Zusammenhang war nicht mehr gegeben, der ideelle verblasste.
Aus vielen privaten und beruflichen Einschränkungen durch neue Lebenssituationen konnte die Arbeitsgruppe Buch nicht erneut installiert werden, zu der ich eingeladen hatte.
Also beschloss ich, das Projekt auf der Grundlage eines neuen einheitlichen Konzeptes alleine zu Ende zu führen und mit dem Titel "Die Kunst in Bildern zu denken. Leitfäden durch das Museum der Alltagserfahrung" in den Druck zu geben.<br>
Bedauerlicherweise hat sich nicht die Gelegenheit ergeben, die Titelei vertieft zu diskutieren, was zu einer dauerhaften Verstimmung der am Buch beteiligten Zeltschüler führte. Der Konflikt ließ sich nicht auflösen.<br>
Es gab keine gemeinsamen Kräfte mehr, die ausdauernd in der Lage gewesen wären, das Projekt in seine verdiente Öffentlichkeit zu befördern. Und auch kein Geld.<br>
Das Buch kommt also nicht in den Handel. Es wird weitergereicht: an die Zeltschüler, Freunde, Interessierte, Reste der 2.000 Exemplare verharren seit über 40 Jahren auf Dachböden und in Lagern.<br>
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Beispiel.jpg|Die Bücher in ihrem Originalkarton
Beispiel.jpg|Beschreibung2
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Hier kommt die aller Gruppenarbeit innewohnende Schwierigkeit zum Tragen, wenn es gilt, gemeinsame Projekte abzuschließen, die Voraussetzungen für gemeinsames Agieren und Interagieren allerdings nicht mehr gegeben sind, wenn der institutionelle Rahmen für den Einzelnen seine lebensgeschichtliche Bedeutung erfüllt hat und die folgerichtige Vereinzelung der Zeltschüler dem weiteren Zusammenhalt die Grundlage entzieht.<br>
Doch das Leittier in seiner Verantwortlichkeit und als Beispielgeber entschließt sich, die unvollendete Arbeit allein zu Ende zu bringen. Die Teilstücke sind in ihre endgültige Form zu bringen und neue Elemente zu entwerfen, um daraus schließlich ein Ganzes zu konstruieren.<br>
Das Buch einfach unfertig in der Versenkung verschwinden zu lassen?<br>
Einfach undenkbar, auch wenn dazu noch einmal 2 Jahre lang gearbeitet werden musste!<br>
So wird das Buch, versehen mit einer ISDN, doch noch einmal in die Öffentlichkeit geschickt.<br>
Das in einer Zeit, in der sich die Museumslandschaft mit einem veränderten Verhältnis zur Kunst und seiner Schubladenordnung kritisch zu wandeln scheint.
<ref>Alles ist gleich viel wert, in: FAS vom 28.Oktober 2019; Das Ende des Kanons. Ein Rundgang durchs renovierte MoMA in New York, in: SZ vom 17.Oktober 2019; Das wilde Auge, in: DIE ZEIT vom 17.Oktober 2019; </ref>
== Vorüberlegungen aus dem Nachhinein: ==
=== BITTE UMBLÄTTERN. ===
In diesem Buch nun wird versucht, sie aufs Bild zu bringen.
<br>
Vielleicht bleibt sie dann etwas mehr von dem, was sie ist: Wirklichkeit.
<br>
Wir lassen uns auf die Alltagserfahrung und auf bestimmte Formen ihrer Verarbeitung
und Darstellung ei. Dadurch werden die Sinnzusammenhänge, die wir darstellen,
zwangsläufig den Bedingungen des Regionalen unterworfen.
Das heißt, wenn der Leser in einzelnen Fällen oder gar prinzipiell den Sinn nicht
erfassen kann, so wird die Ursache dafür nicht darin zu suchen sein, dass er in der
Schule nicht richtig aufgepasst oder dass er zu viel ferngesehen oder dass er zu wenig
Bücher gelesen hat oder dass er vielleicht die falschen Leute kennt. <br>
Vielmehr liegt es
daran, dass wir alle und jeder für sich in bestimmten historischen und sozialen Zusammenhängen leben, aus denen wir nicht so ohne weiteres heraus können:
Wir leben in einer bestimmten Zeit, an einem bestimmten Ort, in einem bestimmten
Personenkreis, mit bestimmten Verhaltensweisen und bestimmten Lebensansichten.
<br>
Der Versuch, die Alltagserfahrung aus ihrer regionalen Beschränktheit herauszulösen
und ihr den Glanz des Überregionalen verleihen zu wollen, wäre ihr Ende. Die lebensgeschichtlich sich vermittelnde Lebensweisheit verkümmerte zur bedingungslosen
Schulweisheit.
Deshalb ist es notwen-dig, dass wir auf eine wesentliche Voraussetzung hinweisen, die
für das sinnvolle Verstehen der Zusammenhänge, die hier bezeichnet werden,
unentbehrlich ist: <br>
Diejenigen, die ihre Erfahrungen aufs Papier bringen, und diejenigen, die das Papier
dann in die Hand nehmen, müssen aus demselben Umkreis von Wirklichkeit
kommen . . . und wir werden abwarten müssen, wie der Kreis abzustecken ist ...<br>
Wenn wir mögliche Kreise abstecken um die, die unsere Arbeit verstehen, und wenn dabei heraus kommt, dass zu denen, die sie nicht verstehen, die Franzosen, die Hannoveraner, Lehrerinnen über 40, Schachspieler, Wandervereine, Lehrlinge, Ärzte, Berufsmusiker und Rentnerehepaare gehören, und wenn sie sie verstehen wollen?<br>
Was ist dann zu tun?<br>
Und zwar so, wie man hatte Warhol übersetzen müssen, als man seine weitgereisten BRILLO-Kartons in Deutschlands Galerien aufbaute. Denn statt dieser exotischen Seifenkisten hÄtten dort die vertrauten, ja fast schon zur deutschen Einrichtung gehörenden PERSIL-Kartons stehen sollen . . .<br>
Schließlich bauen die Engländer bei ihren Autos ja auch das Steuerrad auf die linke Seite, wenn sie ihre Karossen auf dem Kontinent fahren lassen wollen. Eine entsprechend orientierte "Übersetzungsarbeit" würde zeigen, ob sich die jeweils konkrete Alltagserfahrung aus einem jeweils konkreten Umkreis von Wirklichkeit gegen die Manifestationen bevorzugter Alltagserfahrung aus einem bevorzugten Umkreis von Wirklichkeit durch-setzen bzw. sich an ihnen zu orientieren vermochte. Andererseits wird sie weiterhin ihr Aschenputtel-Dasein führen - angesichts von genialer Sonntagserfahrung, die in Werken der Bildenden Kunst etc. zu ehernen Werten erstarrt.
Wir haben an den Aufruf Tretjakov´s angeknüpft und versucht, eine äquivalente Beziehung unter dem Überbegriff "Tasche" zu entwickeln. Der Punkt jedoch, an dem T.'s Anweisungen völlig unkompliziert ansetzen konnten, nämlich dem "Taschen-entleeren", wird uns die allergrößten Schwierigkeiten bereiten.<br>
Dieser Anstrengung des Auspackens, das zustande kommen muss, damit überhaupt Prozesse des Ordnens, Kategorisierens, Benennens usw. der Tascheninhalte möglich werden können, muss unser Hauptaugenmerk gelten. <br>
Denn: Unsere Tascheninhalte lassen sich eben nicht so unvermittelt, mit einer bloßen Handbewegung - auf den Tisch legen, wie es T. fordern konnte.<br>
Bei den Tascheninhalten, die er untersuchen, aufschlüsseln wollte, handelte es sich jeweils um reale Dinge, die die Praxis des täglichen Lebens in die Tasche hat wandern lassen. Sie sind in der Tasche als Dinge im Innern genauso wirklich, körperlich wie vor dem Einpacken als äußere Dinge. Sie haben lediglich eine Ortsveränderung mitgemacht, sind dabei vom hellen Diffusen ins dunkle Diffuse geraten. Und der Prozess der Aufklärung ihres jeweiligen Lebens, der Struktur und Bedeutung in die beiden Vorstadien bringen soll, wird die Gegenstände identisch vor sich auf dem Tisch finden: Garnrolle bleibt Garnrolle bleibt Garnrolle, tote Ratte bleibt tote Ratte bleibt tote Ratte (jedenfalls im Prinzip).<br>
Dem Versuch der Aufklärung der Verhältnisse, deren jeweiliger Ausdruck die vorfindlichen konkreten Tascheninhalte sind, müssen wir zunächst die Lösung des folgenden Problems voranstellen: Unsere Tascheninhalte lassen sich nicht mit einer bloßen Hand-bewegung auf den Tisch werfen, ihnen fehlt die real anschauliche Gestalt. Wollen wir im Sinne Tretjakov´s vorgehen, so ist die reale Gegenständlichkeit des Ausgangsmaterials Grundvoraussetzung einer entsprechenden Arbeit. <br>
D.h. in unserem Fall: <br>
Wir müssen die Anschaulichkeit der Tascheninhalte selber produzieren, da sie es per se nicht sind. Der Prozess des Auskramens ist deshalb nur sinnvoll, wenn er zugleich ein Prozess der Vergegenständlichung ist.
=== VON DER TASCHE AUF DEN TISCH. ===
Schwieriger wird es allerdings, wenn mir da etwas "Fremdländisches" begegnet. <br>
Das Problem stellt sich eigentlich nur deswegen ein, weil ich dem "Fremdländischen" ansehen kann, dass es etwas zu bedeuten hat, und ich kann die Bedeutung nicht herausbekommen.<br>
Ich kann mit ihm so auf Anhieb einfach nichts anfangen und eigentlich würde ich‘s gern.<br>
=== WAS IST ZU TUN? ===
Wir verständigen uns über die unterschiedlichen Versuche, das Ganze zu verstehen, aufzuschlüsseln.<br>
Und während wir alle aus unseren Erinnerungen hervorkramen, sie aufzeichnen, sie miteinander vergleichen und miteinander in Beziehung zu setzen suchen (am besten, das Vorhaben wird gleich ein bisschen organisiert), wird uns klar, dass wir auf diesem Wege nicht nur das Unbekannte da drüben verstehen können, wohlgemerkt: in unserem Sinne, sondern auch und vor allem uns selbst! <br>
Das heißt: Wir müssen, um uns mit uns selbst beschäftigen zu können, aus den gewohnten Zusammenhängen heraustreten. Das ist das Ungewöhnliche: Wir müssen uns selbst gegenübertreten. <br>
Wir müssen uns selbst zusehen, wie wir leben, wie wir erfahren, was wir erfahren, was wir tun, was wir wollen. Wir müssen uns sozusagen ans andere Ufer projizieren.<br>
<br>
Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, diese Beobachtung der Welt, in die man gehört, sowie die der eigenen Person, einzuüben und zu praktizieren. <br>
Wir wollen uns hierauf die Kunst beziehen, auf das, was vom anderen Ufer, am Nagel hängend, auf dem Sockel stehend, in den Sand gezeichnet, in den Stein geritzt zu uns herübergrüßt. Wenn wir sie in Anspruch nehmen, entheben wir uns der Schwierigkeit, zwischen all den anderen Dingen, die wir auch nicht verstehen und die dabei doch so vielversprechend anmuten, eine Auswahl zu treffen, denn die müssen wir dann wieder mit tausend Gründen rechtfertigen. <br>
Bei der Kunst ist das eben klar: Mit ihr kann man sich getrost beschäftigen, denn da sei was dran, so wird uns seit Jahrhunderten versichert.
Als Beweis lässt man uns dann alle Kultusminister und die Senatoren für Wissenschaft und Kunst hochleben.<br>
Dahas Waaasser war viehiel zuhu tief . . .<br>
=== STROMABWÄRTS. ===
Der Blick zum anderen Ufer hinüber legt es nahe, nach längerer und intensiver Betrachtung dessen, was dort nach Bedeutung ruft, eine Unterscheidung zu treffen. Diese Unterscheidung betrifft das Beziehungsgefüge der Erinnerungsbilder, die in uns aufgerufen und miteinander in Verbindung gebracht worden sind. Es scheint so, als wäre es sinnvoll, zwei grundsätzliche Möglichkeiten, in denen sich <big>Assoziationen</big> im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Kunstwerken einstellen, von einander zu trennen.<br>
Es handelt sich einmal darum, dass die <big>Assoziationen</big> sich auf dem schnellsten Wege vom Ausgangspunkt, dem Kunstwerk, entfernen. Es hat den Anschein, als würden sie den Bedeutungshof, mit dem ein Kunstwerk sich umgibt, lediglich als ersten Veranlasser benötigen, um sodann in einer fortlaufenden Kette oder gar wie im Schneeballsystem sich an den bereits gebildeten Assoziationen weiter zu entwickeln. Sie haben vollauf mit sich selbst zu tun, vermögen anscheinend viel anregendere, weitreichendere Bedeutung zu erzeugen. Dabei lassen sie das Kunstwerk weit hinter sich, es macht, so von unserem Ufer aus betrachtet, eine recht kümmerliche Figur und könnte fast zum Strandgut gezählt werden: irgendwo, irgendwann, irgendwie, irgendwas.<br>
Bei der zweiten Gruppe von <big>Assoziationen</big> dagegen haben wir den Eindruck, als würden sie sich nicht gradlinig aus dem Bedeutungshof entfernen, sondern als würden sie sich auf konzentrischen Bahnen um das Kunstwerk lagern, in mehr oder weniger engen Abständen zum Kunstwerk. Wir vermuten, dass die Assoziationen das Sinnganze beschreiben, das sich ähnlich den Wellen, die ein ins Wasser geworfener Stein erzeugt, ausbreitet. Dabei erschließen sie immer neue, in dieses Kunstwerk zurückführende Perspektiven. Wir gewinnen schließlich den Eindruck, als würde die Summe all der auf das Kunstwerk gerichteten Assoziationen nicht in dem Maße auf einen Bedeutungshorizont verweisen, wie das Kunstwerk selbst es vermag. <br>
Das Kunstwerk verdient seinen Namen zu Recht: kein Strandgut.<br>
Das Verfahren, mit dem wir unser Verstehen-Wollen von Kunstwerken vortragen, kann die beiden Typen von Assoziationsbildungen nicht in ihrer Struktur wiedergeben. Sie lassen sich dafür in den jeweiligen Sinnzusammenhängen ausmachen, und zwar in der Art und Weise, wie dort Sinn zusammenhängt und auseinander hervorgeht.<br>
<br>
Tja. <br>
Und dann nähme vielleicht das Publikum tatsächlich mal die Kunst in die Hand.<br>
März 1974<br>
Juni 1977 Achim Lipp<br>