Über Altäre, Stifter und ihre Brandstifter

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Schicksal und Geschichte des Altars der Templerkapelle Mücheln

Über Altäre, Stifter und ihre Brandstifter.

Die Templerkapelle auf Gut Mücheln an der Saale bei Wettin in der Nähe von Halle, frühgotisches Kleinod der Komturei des Templerordens von 1280, ist seit 2005 Veranstaltungsort von Symposien, deren Themengestaltung immer von der Gegenwart dieser Kapelle ausgeht. Das Symposium am 20.Juni 2009 hat den ehemaligen Altar der Templerkapelle als Kristallisationspunkt: Dieser Altar wird um 1500 gestiftet, dann 1570 in der Nachfolgezeit von Kardinal Albrecht (zu dessen Klosterwerk auch das Kloster Mücheln gehörte) in die Laurentiuskirche in Halle verschenkt und tut dort für 400 Jahre seinen Dienst, bis schließlich 1984 ein Brandstifter den Altar in Schutt und Asche legt und mit ihm gleich das gesamte Gotteshaus. Den Kirchenschänder fasst man zwei Jahre später, verurteilt ihn zu 12 Jahren, von denen er allerdings nur ein halbes absitzen muss: die Amnestie von 1987 schickt ihn wieder hinaus in die Welt.

Verbrannte Reste der geschnitzten Heiligen wurden aus den Trümmern geborgen und in Kartons verwahrt. Die Freunde Templerhof Gut Mücheln e.V. sind auf diese dem Vergessen übergebenen Reste aufmerksam geworden und haben sie sich 2008 leihweise in die Galerie auf dem Templerhof holen können. Zusammen mit Museumsexperten haben sie die Fragmente wie in einem Puzzle zusammengefügt und dabei ein überraschendes Ergebnis bekommen. Vier der sieben Holzfiguren können eindeutig zugeordnet und der Öffentlichkeit präsentiert werden – von der zentralen Madonna mit Kind jedoch fehlt jede Spur. Zwei Modelle des Altars werden angefertigt, eines für die Kirchengemeinde Laurentius und das wieder erstandene Gotteshaus, das andere für die Templerkapelle.

Für dieses fünfte transdisziplinäre Symposium wird ein thematisches Netzwerk entworfen, das Schicksal und Geschichte dieses Altars beleuchtet und viele über diesen besonderen Altar hinaus gehenden Aspekte, wie: Kirchenraub und Brandstiftung; Ablass, Fegefeuer, Scheiterhaufen; die Amnestie von 1987 in der DDR, die unseren Brandstifter freisetzt; Kunst- und Kirchenschätze als Heils- und als Devisenbringer; Altäre im Wandel der liturgischen Ordnungen, angefangen von der antiken Opferstätte bis zum christlichen Altar, und Altäre als kunstgeschichtliches Ereignis; die Psychopathologie von Brandstiftern und pyrotechnische Gesichtspunkte der gezielten Brandstiftung, schließlich die Schwierigkeiten beim Umgang mit Fragmenten und Trümmern der Brandschatzung von Altären und Klöstern.


Das Programm des Symposiums "Altäre, ihre Stifter und Brandstifter"

Requiem für einen verbrannten Altar und Triptychon

Nachdem die verbrannten Reste des Altars aus der Laurentiuskirche von Achim Lipp und Christian Heinrich Wunderlich (Chefrestarurator des Landesmusuems für Vorgeschichte Halle) 2008 identifiziert, 2009 vor- und ausgestellt worden waren, sind sie dem angestammten Ursprungsort Templerkapelle entzogen worden und führen ein Leben wie zuvor, nämlich im Verborgenen. Oder zeigen sie sich irgendwo?

Im letzten Jahr nun hat Achim Lipp die nicht weiter verwertbaren Krümel und verkrusteten Reststücke in einem Karton mit geknülltem Zeitungspapier gefunden, sie ausgepackt und für einige Wochen auf Tischplatten ausgelegt. Wegwerfen wollte er diese authentischen Fragmente nicht - alles verkohlt, einige Schrauben durchgeglüht, aber immer noch irgendwie vor Ort, um 1500 in diesen prächtigen Altar verbaut und dort bis 1984 beheimatet. Da hat er sich gedacht, sie in einer Art Requiem zu einer geschlossenen Gestalt zusammenzubringen. Und dann griff eine Idee Raum: eine mit schwarzem Samt bezogenen Tafel, in den Proportionen eines aufgeklappten Wandelaltars, wurde zu Panorama und Ruhestätte der ausgeschiedenen, weil anonymen Relikte, nun als Brandopfer im doppelten Sinne. Die sieben Hauptfiguren, aus zwei oder drei verkohlten Holzstücken angedeutet, an ihren nachgewiesenen Positionen, mit der Madonna in der Mitte positioniert, die übrigen fügen sich zum fragmentierten Rahmen zusammen, alles aus verbranntem, nicht weiter zuzuordnendem Holz, mit eindeutigen Koordinaten nun versehen. Ein würdevoller Umgang mit über 500 Jahren alten Trümmern eines mutwillig zerstörten Altars, präsentiert in der Galerie Templerhof, wenige Schritte von der Templerkapelle entfernt.