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Künstlers Erdenwallen

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J. W. v. Goethe: DES KÜNSTLERS ERDEWALLEN( 1773/74) - DES KÜNSTLERS VERGÖTTERUNG (1774) – KÜNSTLERS APOTHEOSE (1788)
=== DES KÜNSTLERS ERDEWALLEN ===<big>I.
Vor Sonnenaufgang</big><br>
Der Künstler<br>
Ein Kind s<small>chreit

</small><br>
Ä! ä!


 
Der Künstler

<br>
Lieber Gott.
 
Frau erwacht<br>
Meine Göttin!


 
Ältester Knabe s<small>pringt barfuß auf</small>
Lieber Pappe! Ich helfe dich!
 
Künstler


Wie lang?


 
Knab


Was?


 
Künstler


Bring klein Holz in die Küch’!<br>
 



Wer klopft so gewaltig? Fritzel, schau!
 
Knab


Es ist der Herr mit der dicken Frau!
 
Künstler


<small>Er stellt das garstige Bild wieder auf.
</small>
 

Frau


Da kommen wir ja zurecht.


 
Madame


Hab heut geschlafen gar zu schlecht.


 
Frau


O, die Madame sind immer schön.


 
Herr


Darf man die Stück’ in der Eck’ besehn?
 
Künstler


O, gar sehr!
 
Herr


Da.


 
Herr
=== <big>DES KÜNSTLERS VERGÖTTERUNG</big> ===
<small>Stellt eine Gemäldegalerie vor, wo unter andern das Bild der
Venus Urania in einer breiten goldnen Rahme wohlgefirnißt
 
aufgehängt ist. Ein junger Maler sitzt davor und zeichnet, der
 Meister mit andern steht hinter dem Stuhle. Der Jünger steht auf</small>.   
Jünger
 
Hier leg ich, teurer Meister, meinen Pinsel nieder.
 
Nimmer. nimmer wag' ich es wieder,
 
diese Fülle, dieses unendliche Leben
 
Mit dürftigen Strichen wiederzugeben.
 
Ich stehe beschämt. Widerwillens voll,
 
Wie vor 'ner Last ein Mann,
 
Die er tragen soll
 
Und nicht heben kann.
 
Meister
 
Heil deinem Gefühl. Jüngling, ich weihe dich ein
 
Vor diesem heiligen Bilde! Du wirst Meister sein!
 
Das starke Gefühl, wie größer dieser ist,
 
Zeigt, daß dein Geist seinesgleichen ist.
 
Jünger
 
Ganz. heil'ger Genius, versink' ich vor dir.
 
Meister
 
Und der Mann war ein Mensch wie wir,
 
Und an der Menschheit zugeteilten Plagen
 
Hatte er weit schwerer als wir zu tragen.
 
Jünger
 
O, warum sah ich sein Angesicht,
 
Hört' seiner Lippe Rede nicht!
 
Du Glücklicher kanntest ihn?
 
Meister
 
Ja. mein Sohn.
 
Ich war noch jung, er nahte schon
 
Dem Grabe. Ich werd' ihn nie vergessen.
 
Wie oft hab' ich zitternd vor ihm da gesessen
 
Voll von heißest Verlangen,
 
Jedes Wort von seinen Lippen zu fangen,
 
Und, wenn er schwieg, an seinem Auge gehangen.
 === KÜNSTLERS APOTHEOSE === <small>Es wird eine prächtige Gemäldegalerie vorgestellt. Die Bilder
aller Schulen hängen in breiten goldenen Rahmen. Es gehen
 
mehrere Personen auf und ab. An einer Seite sitzt ein Schüler
 und ist beschäftigt, ein Bild zu kopieren. </small>  
Schüler
 <small>(indem er aufsteht, Palette und Pinsel auf den Stuhl legt und dahinter tritt) </small>
Da sitz' ich hier schon Tage lang.
Mir wird's so schwül, mir wird's so bang.